#digitalekirche – Corona ist erst der Anfang

Wenn mir am Anfang diesen Jahres jemand gesagt hätte, dass ich einmal eine Audiodatei mit der Abendmahlsgeschichte aufnehme, weil es an Ostern keine Gottesdienste gibt, was hätte ich gelacht. Meine katholische Kirche und so etwas Modernes wie ein Soundfile? Am Ende noch Youtube oder gestreamte Gottesdienste? Ich hätte mich so dermaßen weggeschmissen.

Doch dann kam Corona und hat die Kirche ratzfatz in die digitale Gegenwart katapultiert.

Contentmaschine Kirche

Um zu verstehen, was da gerade passiert, muss man ein bisschen in die Geschichte eintauchen. Kirche und Internet, da begegneten sich Welten. Klar, bei Barcamps oder auch Kirchen- und Katholikentagen trafen und treffen sich Menschen, die die Kirche ins Netz bringen wollen und es gibt einzelne Highlight-Angebote von Kirchen und Bistümern. Doch die die normale Kirchengemeinde hat oft gerade mal eine Homepage. Der Schwerpunkt liegt immer noch auf analogen Medien und und der direkten Kommunikation bei Gottesdiensten und Veranstaltungen.

Und genau diese Veranstaltungen und Gottesdienste fallen nun weg. Kurz vorOstern, dem höchsten Fest der Christenheit.

Das führte wiederum dazu, dass die Kirchen zu echten „Contentmaschinen“ geworden sind: Es gibt E-Mails an Kommunionkinder und deren Familien, neue Blogs, Fastenpredigten auf Youtube, gestreamte Gottesdienste und vieles mehr.

Und das ist eine riesige Leistung. Denn um den Menschen nahe zu sein, um gerade in diesen Zeiten Trost und Beistand zu bringen, verlassen die Kirchen ihre Komfortzone. Auch die Haupt- und Ehrenamtlichen plagen Ängste um ihre Gesundheit. Wer keine Familie hat, leidet unter Einsamkeit, man macht sich Sorgen um den Job oder um die alten Eltern. Alles Grund genug, das Ganze mal ein paar Wochen lang auf Sparflamme zu fahren.

Doch nein. Als ob das alles nicht schon genug wäre, springt man ins kalte Wasser von Social Media und legt einfach los, geht neue Wege um die Botschaft zu den Menschen zu bringen.

Ein Fest für Kritiker

Dass nach dem ersten Corona-Schock die Kritiker ihre Stimmen erheben würden war so sicher wie das Amen in der Kirche. Da wurden über die wackeligen Streams gejammert, reichweitenstark über die Peinichkeit der katholischen Kirche geklagt – von den theologischen Bedenken ganz zu schweigen.

Ja, vieles von dem, was gerade in meinen Feeds landet, ist bestenfalls semiprofessionell, manches auch großer Mist. Anderes ist wiederum große Klasse und man hat den Eindruck als würden plötzlich ganz viele neue Gnadengaben (1 Kor. 12 4-11) in den Gemeinden sichtbar. Doch es ist – wie überall – Luft nach oben.

Jetzt Kritik zu üben ist tatsächlich ein bisschen billig. Denn was hätte die Kirche denn tun sollen? Wie groß wäre der Aufschrei gewesen, wenn man geschwiegen hätte. Mit wieviel Häme hätte man sich über die Kirchen lustig gemacht, die keine Medien des 21. Jahrhunderts bedienen können? Und wenn die Kirchen erst einmal geschwiegen hätten um dann zu Ostern mit Online-Angeboten zu starten – es wäre zu spät gewesen. Egal wie sich die Kirche entschieden hätte, es wäre nie richtig gewesen. Ein Fest für Kritiker.

Und ob man sich über technische Unzulänglichkeiten tatsächlich echauffieren muss, daran habe ich meine Zweifel. Dazu gibt es auch außerhalb von „kirchens“ zu viel Mist im Netz. Wer noch nie irgendwo einen 404-Error gefunden oder einen schepprigen Podcast gehört hat, der werfe den ersten Stein.

Wenn „wackelig“ wertvoll wird

Gerade in einer Zeit, in der wir den Anstieg der Neuerkrankungen perfekt designed präsentiert bekommen und die Bilder von Leichensäcken Full-HD Qualität haben, brauchen wir Trost und Aufmunterung. Brauchen wir die Botschaft vom Leben, das den Tod ein für allemal besiegt hat vielleicht nötiger als je zuvor. Und wenn die, die uns diese Botschaft bringen unscharf oder schlecht ausgeleuchtet sind, dann sei’s drum.

Schließlich ist diese Kritik ist nicht ungefährlich. Denn machen wir uns nichts vor: Corona wird irgendwann vorbei sein. Doch dann kann man die ganzen Angebote nicht einfach wegpacken wie die selbstgenähten Masken oder das gehamsterte Klopapier. Wer online Trost und Zuspruch findet, wird das auch weiterhin wollen. Wer hunderte Kilometer entfernt einen Gottesdienst aus seiner Heimat am Rechner mitverfolgen kann, der wird das öfter tun wollen. Wer inspirierende Gedanken in seiner Timeline zu schätzen gelernt hat, der wird sie vermissen, wenn in den Krankenhäusern schon wieder der Normalbetrieb eingekehrt ist.

Die Kirche ist online und sie wird es bleiben müssen. Vielleicht nicht in dem Ausmaß, aber deutlich präsenter als bisher. Doch dafür werden Ressourcen geschaffen werden müssen, personell wie finanziell. Man wird in den jeweiligen Verwaltungsgremien verhandeln müssen. Auch mit denen, die bis heute immer noch hoffen, dieses „Internetz“ ginge irgendwann einmal vorbei. Die (sicher oft berechtigte) Kritik von heute ist morgen das Argument Fortschrittsverweigerer.

Ich jedenfalls werde auch morgen wieder Haupt- und Ehrenamtlichen dabei helfen, Menschen online zu erreichen. Ich werde Inhalte von anderen streamen bis die Leitung glüht und wahrscheinlich das ungewöhnlichste Osterfest eines Lebens feiern. Nur eines werde ich nicht: Mich über wackelige Streams ärgern.

Ein Gedanke zu „#digitalekirche – Corona ist erst der Anfang

  • 10. April 2020 um 8:59 Uhr
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    In Zeiten der Krise haben sich die Menschen seit jeher um die und in der Kirche versammelt, haben Hoffnung und Trost gesucht. Eine vollständige Suspendierung sämtlicher Gottesdienste in allen Konfessionen gab es noch nie, und somit ist es gut, wenn hier auch völlig neue Ideen und Wege gefunden werden.
    Wenn Präsenz nicht möglich ist muss auch für die Absenz eine Möglichkeit geschaffen werden. Und ich finde es gut und geradezu beeindruckend, was da plötzlich möglich ist. Da schickt mir meine Tante aus Kirchberg einen Link zur Predigt ihres Pastors, die ich mir gern anhöre und die mich bewegt. Da stellt der Pastor meiner Gemeinde jeden Abend Videos auf Facebook, auf dem er die Tageslosung und einen Impuls hierzu liest. Kirche-to-go quasi, niedrigschwellig und damit leicht zu verbreiten.
    Vielleicht werden – wenn zumindest ein Teil dieser Angebote nach der Krise aufrecht erhalten bleibt – weniger Menschen in die Kirche gehen, wenn sie die liturgische Handlung auch aus dem Wohnzimmer verfolgen können, wer weiss. Aber vielleicht erkennen auch wieder mehr Menschen denn Sinn und Segen von Kirche und werden ihr nicht zum Steuern sparen den Rücken kehren. Und das wäre doch auch toll!

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